Variant-5 in Bulgarien

Unser diesjähriges Sommerreiseziel haben wir auf der Webseite WorldofO.com gefunden: Nachdem Janna unser Trip nach Gran Canaria an den Mehrtagelauf so gefallen hatte, hat sie kurzerhand einen weiteren OL für die Sommerferien gesucht. Die Wahl fiel auf den Variant-5-OL in den Bulgarischen Rhodopen.

Bulgarien, ein Land das für die meisten wohl ein weisser Fleck auf der Landkarte ist: etwa 2.5mal so gross wie die Schweiz, 7 Millionen Einwohner (durch Abwanderung abnehmend!), Hauptstadt Sofia, zwischen Rumänien im Norden, Serbien und Mazedonien im Westen und Griechenland und Türkei im Süden, im Osten an das Schwarze Meer grenzend, ärmstes Land der Europäischen Union bei der Bulgarien seit 2007 dabei ist…

Nach dem Studium des Reiseführers wurde es schon etwas klarer: Bulgarien ist ein sehr abwechslungsreiches Land: Von der Schwarzmeerküste über den sich von Ost nach West durchs Land ziehende Balkangebirgszug, von der Donauebene an der Grenze zu Rumänien bis zu den alpinen Nationalparks südlich der Hauptstadt. Auch die Geschichte ist wechselhaft: von den Thrakern ca. 500 v.Chr. zu den Römern um das Jahr 0, den Osmanen ab 500 n.Chr. bis zum Zarentum, dem Sozialismus nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Öffnung im Jahre 1990 und dem Anschluss an die EU. Mit diesen Infos hiess es nun nichts wie los…

Unsere Reise begann in der Hauptstadt Sofia und führte uns mit dem Mietauto gleich Richtung Süden. Der Rila-Nationalpark war unser Ziel. Unsere erste Wanderung sollte uns um die Sieben Seen führen, ein Highlight des Parks, der sich bis auf knapp 3’000müM hebt. Leider hatte sich die in Mitteleuropa fehlende Feuchtigkeit in Bulgarien angesammelt, wir sind 4 Stunden im Nebel herumgelaufen und haben die Seen erst gesehen, als wir direkt davorstanden. Zurück im Hotel war Wetter-App-Studium angesagt: im Gebirge sollte es regnerisch bleiben und so planten wir, das Gebiet westlich zu umfahren und im Süden an der griechischen Grenze die Sonne zu suchen.

Auf dem Weg dorthin war ein Stopp im Rila-Kloster jedoch Pflicht, wird es doch als schönstes Kloster von Bulgarien angepriesen. Und tatsächlich, durchquert man die von aussen abweisende Klostermauer findet man sich in einem Innenhof wieder. Rundherum sind die Gemächer der Mönche angelegt, mittendrin steht die schmucke Kirche – und natürlich wimmelt es von Touristen.

Eine kleine Schwierigkeit in Bulgarien ist das kyrillische Alphabet. Doch man lernt die 33 teils gleichen, teils komplett anderen Buchstaben schnell und kann sich schon bald ans Entziffern der Wörter machen. Und siehe da, die Wörter sind dann teils gleich wie im Deutschen, ein paar Beispiele gefällig:

  • Жотел
  • Презторант
  • Зофиа
  • Макдоналдс

Zum Glück sind die Strassenschilder meist in kyrillisch und lateinisch angeschrieben…

Auf dem Weg Richtung Süden versuchten wir es noch einmal mit einem Abstecher Richtung Pirin-Nationalpark. Im Skisportort Bansko checkten wir im Kempinski-Hotel ein: Das beste Hotel am Platz kostet in Bulgarien weniger als ein Schweizer Mittelklassehotel. Bansko hat neben seinen Skihotelburgen eine sehr schön hergerichtete Altstadt im typisch Bulgarischen Wiedergeburtsstil, der Zeit ab ca. 1780, in der die Bulgaren gegen das Osmanische Reich zu rebellieren begannen, was schliesslich mit der Gründung des Fürstentums Bulgarien endete.

Auch in Bansko versuchten wir es mit einer Gebirgswanderung aber nach einer halben Stunde standen wir im Platzregen unter dem Schirm und entschlossen uns zum Rückzug…

Dem Fluss Struma folgenden fuhren wir nun Richtung Süden und stoppten im Weindorf Melnik unweit der griechischen Grenze.

Das Gebiet um Melnik ist geprägt von Sandsteinformationen. Auf einer Wanderung zu einem Kloster liefen wir direkt zwischen den Türmen hindurch und auf der Höhe hatte man einen gewaltigen Ausblick zurück ins Pirin-Gebirge und weiter nach Süden Richtung Ägäis. Natürlich durfte eine Weindegustation in einem der alten Häuser und in den Sandstein gehauenen Weinkellern nicht fehlen.

So verging die erste Woche im Flug und wir mussten uns auf den Weg Richtung OL-Wettkampfzentrum machen. Die allgemeine Richtung wechselte nach Osten und wir fuhren durch die Rhodopen. Nicht ganz so hoch wie die beiden Alpinen Gebirgszüge Rila und Pirin besticht dieses Gebiet dafür mit unendlichen Tannenwäldern, Schluchten und vielen Höhlen. In Trigrad stoppten wir für eine Nacht und besuchten da den Höllenschlund und die Yagodinahöhle. Am nächsten Tag erreichten wir unser Hotel in Pamporovo, welches unser Basislager während des Wettkampfes war.

Der OL war mit 300 Teilnehmern klein aber fein und da eine 50er-Gruppe Hindelbanker teilnahmen, war es fast so wie an einem regionalen Lauf in der Schweiz. Die 4 Waldetappen fanden auf derselben Karte statt, zwei im Nordteil, zwei südlich der Strasse. Trotzdem variierte der Bahnleger die Strecken, so dass einmal schnelles Orientieren im offenen Gebiet, einmal mehr Routenwahl im steilen, von Gräben durchsetzten Teil gefragt war. Der Sprint am 3. Tag fand in der Stadt Smoljan in einem recht steilen Quartier statt, so dass zu den 2km noch 100 Höhenmeter Treppensteigen hinzukam.

Janna schlug sich ganz tapfer, ich hatte sie in der Kategorie D21B angemeldet, in der Meinung, dass das mit unserer DB-Kategorie vergleichbar ist. Das war leider nicht der Fall, es war eher eine DAK-Bahn so dass sie auch quer durch alle Hänge kraxeln musste.

Ich hielt mich bei den H40 ganz tapfer, so dass ich am Jagdstart auf dem 4. Platz startete. Leider lief dann am letzten Tag nichts mehr, von meiner Sicherheit der ersten 3 Tage auf der Karte spürte ich nichts und ich verlor noch 4 Ränge.

Der OL war aber ganz in unserem Geschmack: nicht allzu gross, freundliche Gastgeber und einfach aber gut organisiert.

Die letzten Tage nutzten wir, um mit ein paar Zwischenstopps zurück nach Sofia zu gelangen. Der erste war in Plovdiv, eine Stadt mit etwa 340’000 Einwohnern in der Tiefebene zwischen Rhodopen und Balkan. Sie entpuppte sich als wahres Kleinod, in der Altstadt läuft man auf uraltem Kopfsteinpflaster zwischen den Holzhäusern um plötzlich vor einem Amphitheater der Römer zu stehen, die Fussgängerzone ist auf dem Römischen Sportstadion gebaut, immer wieder wird der Blick auf alte Mauern gezogen. Die Stadt ist um 7 Hügel herum gebaut, so dass man von ihnen aus eine schöne Sicht in die Umgebung hat. Und da Plovdiv nächstes Jahr europäische Kulturhauptstadt ist, wird sie natürlich jetzt schon herausgeputzt.

Mit einem Abstecher in den Balkan erreichten wir nach zweieinhalb Wochen wieder Sofia und liessen uns am letzten Tag von ihrem Grossstadtflair betören: riesige Gebäude stehen an den grossen Boulevards, grosse Parks laden zum Verweilen ein und in der Nacht findet man an jeder Ecke ein gemütliches Restaurant. Mit unseren angesammelten Bulgarischkenntnissen – dober den, smetka molja, blagodaria, dowischdane usw. – konnten wir die Kellner ein letztes Mal beeindrucken bevor wir Bulgarien wieder auf Wiedersehen sagen mussten.

Dieses Land ist nun kein weisser Fleck mehr. Es hat uns mit seiner abwechslungsreichen Natur, dem unkomplizierten Reisen mit dem Auto und den schönen alten und neuen Städten sehr gut gefallen – ein Wiederkommen ist nicht ausgeschlossen.

Michael